MARC-ALASTOR E.-E., der dunkle Poet.

In den ersten drei Kolumnenbeiträgen möchte ich über einen düsteren Phantasten der Neuzeit erzählen, der sich eines wundervoll dichten, altertümlichen Stils bedient und jenseits der Mainstreams schreibt. Somit besonderes Interesse verdient. In meinem ersten Beitrag möchte ich den Lesern meiner neuen Kolumne ein besonderes Werk des Autors vorstellen.





MALIZIÖSE MÄRCHEN
Marc-Alastor E.-E.
Verlag Lindenstruth
Düstere Phantastik
Fester Einband, 203 Seiten
ISBN: 9783934273283
Oktober 2006, limitierte Auflage

7 Märchen für Erwachsene, fulminant illustriert in 7 s/w Bildern und mit 7 höchstzweifelhaften Moralen versehen

Limitierte Vorzugsausgabe, offenes Leinen m. Prägedruck, 4-Farb Schutzumschlag,
s/w Illustrationen,

Wenn ein klassischer Traum an einer Zaunpassage steht und mit braunem Blatt beantwortet wird, wenn die Erinnerung jemanden in die Verfremdung schiebt, oder wenn die Noten verhohlen über jemanden zu sprechen scheinen, wenn ein Widergänger wieder zu gehen versucht, eine Melancholistin einen Kobold namens Freudlos trifft, einem Prediger von allen Predigern gepredigt wird oder wenn einem venezianischem Glasbläser nur noch die Liebe zu einem gläsernen Ebenbild verbleibt, dann ist Dunkles am Werk gewesen, dann ist die Moral eher eine arge Entstellung ihrer Selbst und, würde der Teufel lesen, so wären ihm diese Märchen gerade recht...

Inhalt
1. Braune Blätter und eine Zaunpassage
2. Erinnerungsschub
3. Das Notengespräch
4. Der Widergänger
5. Die Melancholistin und ein Kobold namens Freudlos
6. Prediger
7. Der Glasbläser

Rezensionen:
http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=2699
http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=312


Erinnerungen, Kopfkino und verbale Melancholie von Alisha Bionda

Es sind oft Kleinverlage, die “Perlen“ der düster-phantastischen Literatur herausbringen. So auch im Falle des Werkes MALIZIÖSE MÄRCHEN von Marc-Alastor E.-E., das scvhon vor einer Weile im Verlag Lindenstruth erschienen ist, aber immer wieder Erwähnung verdient. Die sieben Märchen für Erwachsene zeigen sich dem Leser in sehr gediegener, künstlerischer Austattung (7 s/w Bilder), als limitierte Vorzugsausgabe (offenes Leinen mit. Prägedruck, 4-Farb Schutzumschlag)

Marc-Alastor E.-E. schrieb mir einmal: „Jedes Buch hat seine Zeit!“ und ich kann dem nur zustimmen. Sowohl, es zu schreiben, als zu lesen!
Zeit ist wesentlich was diese Texte angeht – sie fordern sie geradezu ab, weil ihre Besonderheit dem flüchtigen Leser verborgen bliebe. Lässt man sich auf sie ein, folgt man ihrem speziellen Sprachrhythmus, ihrem düsteren Pfad und huldigt ihnen, treffen sie Nerven, die man längst taub und gekappt wähnte

Braune Blätter und eine Zaunpassage mag auf den ersten Blick wie ein klassisches Märchen anmuten, sieht man von dem Ausgang ab. Liebe – und was daraus werden kann – ist der Plot dieser Kurzgeschichte und beinhaltet all das was damit zusammenhängt. Was Liebe auszuhalten vermag, was sie bewirkt, wie sie das Leben bestimmen kann, welche ungeahnten Facetten sie in uns zum Leben erweckt.

Erinnerungsschub ist der surrealistischste Text dieses Bandes – und hat vielleicht gerade aus dem Grund die Bezeichnung Erinnerungsschub verdient.
Der Autor vermag es auf präzise Weise Gefühle zu wecken, die gerade wegen ihrer Widersprüchlichkeit, nicht unverfälschter sein könnten. Kindheitserinnerungen werden wach, wenn man die kleinen, liebevollen „Nebenbilder“ wahrnimmt, die er „zeichnet“.

Das Notengespräch ist der weitere Beweis eine literarische Besonderheit in Händen zu halten Cathérine Montvoisin, Pianistin aus wohlhabendem Hause, startet schon von Kindesbeinen an ihre ersten musischen Versuche an ihrem Clavichord. Doch ebenso eigenwillig, wie Cathérine zur jungen Frau heranreift, so kapriziös ist auch ihre Musik, als ginge das eine nicht ohne das andere. Bis sich durch einem Schicksalsschlag alles ändert und alles in Cathérine „verstummt“.
Als sie sich nach Monaten der musischen Enthaltsamkeit wieder in die Welt der Klanggebilde begibt, begreift sie plötzlich, was die Menschen bisher an ihren nonkonformistischen Interpretationen störte. und sie beschließt ihren inneren Klangwelten einen Rahmen zu geben, der jene auch für andere Menschen erfassbar macht – mit einem fatalen Ende.

Erwähnenswert sind die Szenen, in denen die Noten vor den Augen der Pianistin „lebendig“ werden, wo sie den Dialog zu ihr suchen, sich neu formieren, aufbegehren, aufdiktieren. Die dem Leser ein besonders deutliches „Bild“ schenkt: Wie das es mit seinem Notenhals das vorlaute d umschlingt, hört förmlich, wie es Einspruch erhebt, sieht wie sich das d mit wild entbranntem Notenfähnchen losreißt, hört es schnauben und lauscht ihnen, wie sie über „Vivaldi“ streiten, freut sich, als sich auch das a, das g und das f einmischen

Der Widergänger gewährt Einblick in die menschliche Psyche – und darin, wie wenig sich Menschen und Gemeinschaften verändern, wenn sie kleingeistig und zögerlich sind.
Der Widergänger bietet vielen Fragen Raum..
Wer ist dieser Mann, der nach „langer Reise“ einem Zug entsteigt, in seine Heimatstadt und in die Wohnung seiner Familie zurückkehrt, dessen penetranter Geruch den Taxifahrer, der ihn vom Bahnhof bringt, ebenso entsetzt, wie sein monströses Äußere, das an eine halbverweste Leiche erinnert?

Die Melancholistin und ein Kobold namens Freudlos
Der Beginn des Märchens bringt bereits das auf den Punkt, was Larissas Wesenheit ausmacht:
“Es war einmal eine junge Frau, die allen anderen Menschen auf eine abnorme Art und Weise sonderlich erschien, denn sie war bereits zu Kindestagen eine betrübte, kleine Person gewesen, deren Antlitz nie von einem freudigen Lachen oder einem munteren Strahlen erfüllt wurde.

Larissa lehnt das Glücklichsein ab, flieht vor ihm und so nimmt ihr Leben eine Entwicklung, mit einem Ende, das es nehmen musste?

Prediger
Das Märchen über Tadeusz Spindelsinn, der als Junge von seiner Tante in die Kunst der Photographie eingewiesen wurde, hat erneut Parallelen zur Natur. Wie ein Mensch, durch sie sensibilisiert und zusammen mit ihr erblühen kann. Aber auch den Bezug durch „menschliche Zivilisation“ und „gesellschaftliche Zwänge“ verliert, somit auch immer mehr sich selbst.

Der Glasbläser - über den ich nicht verraten möchte, wie es ihm gelingt künstlerische Perfektion zu erreichen, weil das in einer derart düsteren Reinheit erzählt wird., bildet einen würdigen Abschluss des Bandes.

Und somit beende ich meine verbale Reise durch die Maliziösen Märchen und ich hoffe, auch Sie fühlen sich angesprochen, sich oder einem besonderen Menschen, dieses außergewöhnliche Buch zuteil werden zu lassen.

Selten haben es Texte vermocht, so viele Erinnerungen in mir wachzurufen, so viele Blder in meinen Kopf zu schicken und mich so viel Lebendigkeit und dennoch Melancholie „atmen“ zu lassen.
Es ist genau das, was an Marc-Alastor E.-E.s Texten so „ergreift“: dieses vermeintlich schwer Verständliche, aber auch die spezielle bildhafte Ausdrucksform, mit der auch jede kleinste Geste, Mimik oder Bewegung bedacht wird und die den Charakteren Leben einhaucht.(Ihr Lachen klang wie das Geläut der Feuerglocke im Spritzenhaus), und die erkennen lässt, dass hier ein Autor schreibt, genauso wie es aus ihm herausfließt, genau in der Stimmung, in der er sich selbst befindet, genau DAS sagt, was er zu sagen gedenkt und was von ihm gesagt werden muss – und nicht was und wie es – dem Zeitgeist unterworfen – gerade „en voque“ ist.
Und genau das macht die Texte authentisch, macht sie glaubwürdig und lässt in ihnen „Wertigkeit“ erkennen. Eine, die auch in ihren dunkelsten Stunden und Szenen, „richtig“ ist, selbst wenn sie von Tod oder Schmerz zeugt, weil gerade sie, das Leben bedingen.

Das ist düstere Phantastik auf hohem Niveau und einem Sprachbild, das Hermann Hesse zur Ehre gereicht hätte.
Lässt man sich darauf ein, entsteht ein Magnetismus zwischen Leser und Text, wie der zweier Pole, die sich anziehen und nicht voneinander lassen können..
Es ist wie eine Zugfahrt, man steigt ein und jede Zeile, jedes Bild, das diese Texte in den Kopf zaubern, ist wie eine Station, die einen näherbringt – zu sich selbst!

Man spürt wieder Freude am Lesen und Dankbarkeit über die geschenkten Stunden, die einen erfüllen, noch lange nachdem man das Buch zugeklappt, versonnen dagesessen, über den wunderschönen Einband gestrichen und es wieder an einen besonderen Platz gestellt hat.
Die Literatur braucht mehr dieser Autoren, dieser Bücher, die Schwingungen erzeugen, die nachhaltig erreichen und Verlage – wie der von Gerhard Lindenstruth –, die sich nicht scheuen, jenseits des Mainstreams Texte zu veröffentlichen, die das sind, was jeder Leser als Kleinod empfinden wird.

Als ich mich von den „Maliziösen Märchen“ löse fühle ich mich wie der Widergänger – ich bin wieder draußen, hinausgeflogen aus dem Paradies der schönen Bilder.

Soviel zu dem erster Station meiner Reise durch die literarische Welt von Marc-Alastor E.-E.




Alisha Bionda im Dezember 2010